Wahrnehmung im Finanzsektor
Im Finanzsektor ist in den letzten Jahren eine zunehmende Sensibilisierung für naturbezogene Risiken zu beobachten. Diese Entwicklung spiegelt sich in Pilotprojekten und ersten Ansätzen zur Integration naturbezogener Risiken in ESG-Analysen wider. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen jedoch, dass diese Auseinandersetzung bislang nur begrenzt in konkrete Strategien und systematische Prozesse überführt wird. Gerade einmal 8,7 % der befragten Banken verfügen derzeit über eine explizite Strategie zur Berücksichtigung naturbezogener Risiken im Kreditportfolio. Das hängt vermutlich mit den zuletzt erhöhten regulatorischen Anforderungen für Finanzinstitute und dem bisherigen Fokus auf Risiken, die aus dem Klimawandel resultieren, zusammen.
Wir haben die Bankinstitute in unserer Umfrage gefragt, welche naturbezogenen Risiken für sie im Agrarsektor eine besondere Relevanz haben.
Welche der folgenden naturbezogenen Risiken halten Sie im Agrarsektor für besonders relevant?
In der Wahrnehmung der befragten Institute spielen speziell die physischen Risiken, wie die Bodendegradierung und Erosion, eine wesentliche Rolle im Kontext möglicher Ausfallwahrscheinlichkeiten von Kreditnehmenden in der Landwirtschaft. Transitorische Risiken, die vor allem aus politischen und gesellschaftlichen Diskursen resultieren, werden eher untergeordnet wahrgenommen.
Diese Einschätzung steht durchaus im Kontrast zu bisher veröffentlichen Studien zu ähnlichen Fragestellungen1. Dort wurden die Transitorischen Risiken als relevanter eingeschätzt, was auf die Heterogenität der befragten Finanzinstitute und eine besondere Stellung der Landwirtschaft zurückzuführen sein könnte. Auch die von uns befragten Vertreter der Landwirtschaft schätzen den Einfluss der transitorischen Risiken auf die Betriebe höher ein. Die BaFin legt ihren Fokus im Finanzsektor jedoch auf die physischen Risiken2.
„Im Bereich Düngung, Pflanzenschutz und Biodiversitätsschutz haben regulatorische Eingriffe oft deutlich stärkere Auswirkungen auf Ertrag und Produktqualität als die Umweltveränderungen selbst. Ein Beispiel ist das Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten: Solche Maßnahmen beeinflussen unmittelbar die landwirtschaftliche Produktion – sowohl hinsichtlich Menge als auch Qualität der Erzeugnisse.“
Steffen Pingen
Leiter Fachbereich Umwelt/Nachhaltigkeit
Deutscher Bauernverband e. V.
Quelle: Gero Breloer
Für Bankinstitute beginnt die Auseinandersetzung mit naturbezogenen Risiken zumeist mit der Bewertung von Abhängigkeiten, die ihre Finanzierungen in spezifischen Sektoren von Naturkapital oder Ökosystemleistungen besitzen. In der Landwirtschaft sind diese bei den kreditnehmenden Betrieben sehr umfangreich und können sich je nach Art der Bewirtschaftung des Agrarlands wesentlich unterscheiden. Die Befragten schätzen die Relevanz naturbezogener Risiken im Durchschnitt zukünftig höher ein (vgl. Abbildung 4).
Wie hoch schätzen Sie die Relevanz naturbezogener Risiken für die Bonität der landwirtschaftlichen Kreditnehmenden in den kommenden fünf Jahren ein?
Sind die Abhängigkeiten erfasst, definiert und ggf. bereits durch Metriken für eine Messung erhoben, können sie aus der Bankperspektive in potenzielle Risiken übersetzt werden. Hierbei ist es für Kreditinstitute erforderlich, die bisherigen Instrumente im Risikomanagement entsprechend zu erweitern, um Kosten- und Ertragsrisiken durch reduziertes Naturkapital analog zu anderen Risikotreibern quantifizieren und messen zu können. Die Implementierung in die Steuerungs- und Entscheidungsprozesse stellt jedoch eine Herausforderung dar. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass naturbezogene Risiken derzeit nur selten eine Rolle in der Kreditvergabe, Portfoliosteuerung oder Produktentwicklung spielen. Wie in Abbildung 5 zu erkennen ist, zeigt sich in der Praxis nur ein begrenzter Einfluss entsprechender Risiken auf zentrale Steuerungs- und Entscheidungsprozesse der Banken.
Inwieweit beeinflussen naturbezogene Risiken aktuell Ihre ...?
Banken befinden sich aktuell also vorwiegend noch im Prozess der Definition von relevanten naturbezogenen Risiken und der flächendeckenden Herleitung von Abhängigkeiten im landwirtschaftlichen Sektor. Rund ein Drittel (34,8 %) der befragten Institute haben hierzu bereits spezielle Fragestellungen in ihren Kundenbefragungen im Agrarsektor integriert, um diese Risiken zu identifizieren. Knapp ein weiteres Drittel berücksichtigt diese Risiken analog zu den Befragungen der Kunden in anderen Branchen.
Ausblick der Entwicklung
Naturbezogene Risiken besitzen derzeit noch nicht die Relevanz in der Kreditvergabe oder den Steuerungsprozessen der Banken, wie es bei Klimarisiken bereits der Fall ist. Der Verlust an biologischer Vielfalt verläuft oft schleichend und ist weniger direkt wahrzunehmen als bspw. Dürreereignisse oder Naturkatastrophen. Dennoch zeigen aktuelle Entwicklungen – etwa neue regulatorische Anforderungen wie die EBA-Leitlinien – ein wachsendes Bewusstsein für naturbezogene Risiken. Eine differenzierte Risikobetrachtung ist hierbei aus Bankenperspektive notwendig. Naturbezogene Risiken stellen ein strategisch relevantes Thema dar, das in der Risikobewertung und Kreditvergabe im Agrarsektor somit auch regulatorisch stärker berücksichtigt werden muss – auch wenn die BaFin angibt, dass sie weniger bedeutende Institute in Deutschland nicht vollumfänglich nach den Anforderungen der EBA-Leitlinien prüfen wird.