Begriffsverständnis – Biodiversität, Natur und ihre Rollen in der Risikobetrachtung
Die folgende Tabelle zeigt die begriffliche Abgrenzung im Überblick:
Natur | Biodiversität | ||
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Definition | Gesamtheit der natürlichen Welt (lebend und nicht lebend) | Vielfalt des Lebens | |
Fokus | Biologisch & physisch | Biologisch | |
Komponenten | Biodiversität, Geodiversität (z. B. Böden, Atmosphäre, Klima usw.), Ökosystemleistungen | Genetische Vielfalt, Artenvielfalt, Vielfalt der Ökosysteme | |
Tabelle 1: Abgrenzung von Natur und Biodiversität |
Biodiversität ist somit Teil der Natur – und beide sind die Grundlage für sogenannte Ökosystemleistungen: Diese stellen alle Leistungen dar, von denen Menschen wirtschaftlich oder gesellschaftlich profitieren, etwa die Bestäubung von Nutzpflanzen, die Verfügbarkeit von sauberem Wasser oder die Klimaregulierung.
In der Bankenregulatorik gewinnt außerdem der Begriff Naturkapital an Bedeutung. Er beschreibt die wirtschaftlich relevanten Bestandteile der Natur – einschließlich Biodiversität und Ökosystemleistungen – und dient als Brücke zwischen ökologischen Grundlagen und finanziellen Steuerungsmodellen.
Für Banken ergibt sich daraus ein neuer Risikotreiber: naturbezogene Risiken (nature-related risks). Diese betreffen alle finanziellen Auswirkungen, die durch den Verlust, die Veränderung oder die Degradierung natürlicher Systeme entstehen, zum Beispiel durch physische Schäden oder Lieferkettenstörungen. Das Verständnis dieser Begriffe ist somit eine zentrale Grundlage für ein zukunftsgerichtetes Risikomanagement.
Bedeutung für Banken
Banken ziehen zur Bewertung der ESG-Risiken ihrer Kreditnehmenden sogenannte ESG-Scores heran, um potenzielle finanzielle Auswirkungen ableiten und frühzeitig erkennen zu können. In solche Scores können auch naturbezogene Risiken einfließen. Diese Bewertungsschemata sollen ermitteln, inwieweit bestehende ESG-Risiken aufgrund von Abhängigkeiten bestimmter Kundengruppen finanzielle Auswirkungen haben können. Für Banken sind diese Risiken relevant, da sie die Rückzahlungsfähigkeit ihrer Kreditnehmenden beeinträchtigen, zusätzliche Sicherheiten erforderlich machen oder die Bonität mindern können.
Im Vergleich zu Klimarisiken stellen Biodiversitäts- und naturbezogene Risiken für den Bankensektor einen eigenständigen und komplexeren Risikotreiber dar. Während Klimarisiken häufig global wirken und über standardisierte Metriken wie CO₂-Äquivalente quantifiziert werden, wirken naturbezogene Risiken deutlich regionaler und entziehen sich einfachen, einheitlichen Bewertungsansätzen. Besonders im landwirtschaftlichen Sektor wirken sich Veränderungen der Biodiversität direkt auf die Produktionsbedingungen und somit auf die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen aus. Für finanzierende Institute bedeutet dies, dass sie sich mit einer Vielzahl standortspezifischer Faktoren auseinandersetzen müssen, die sich nicht ohne Weiteres in bestehende Risikomodelle integrieren lassen.
Gleichzeitig sind die Auswirkungen von Biodiversitätsverlusten für lokale Akteure oft unmittelbar spürbar und können durch gezielte Maßnahmen beeinflusst werden. Dies stellt alle wirtschaftlichen Akteure vor die Herausforderung, neue Bewertungsansätze zu entwickeln, die der Komplexität und Heterogenität naturbezogener Risiken gerecht werden.